Seit Oktober 2021 sammeln wir, das DANGER-Team, Daten über politische Eliten und ihr Handeln in der europäischen Zwischenkriegszeit. Der Datensatz „Actions by Elites and Leaders“ (ABEL) enthält zwei Analyseebenen: die Partei- und die Regierungsereignis-Ebene.
Die Daten auf Parteiebene liefern Informationen über die Ziele, Ideologie und Anhänger aller politischen Parteien, die zwischen 1919 und 1939 in einem der demokratischen Parlamente Europas vertreten waren. Die 485 Parteien und Parteienbündnisse in dem Datensatz umfassen sowohl pro-demokratische Gruppierungen wie Liberale oder Sozialdemokraten als auch antidemokratische Kräfte wie kommunistische und faschistische Parteien. Anhand der Daten auf Parteiebene kann das DANGER-Team untersuchen, welche Koalitionen die politischen Führer bildeten, ob antidemokratische Parteien an der Macht beteiligt oder ausgeschlossen waren und welche Rolle die Polarisierung im politischen Spektrum spielte.
Die Daten auf der Ebene der Regierungsereignisse klassifizieren verschiedene Maßnahmen der Zwischenkriegsregierungen, die demokratische Rechte einschränkten. Diese Maßnahmen konnten darauf abzielen, Feinde der Demokratie zu bekämpfen, zum Beispiel durch das Verbot von Parteien oder Organisationen, die demokratische Regime bedrohten. Es kann aber auch sein, dass die Regierungschefs die Macht an sich gerissen, Wahlen verschoben oder Oppositionsparteien verboten haben, um die Macht in ihren eigenen Händen zu konzentrieren. Solche Schritte zur Schwächung demokratischer Zwänge helfen uns, Prozesse der demokratischen Dekonsolidierung zu erkennen.
Die beiden Analyseebenen zusammen ermöglichen es uns, zu untersuchen, wie die politischen Führer auf die Bedrohung der demokratischen Herrschaft durch Anpassung (z. B. Koalitionen mit antidemokratischen Parteien) oder Konfrontation (z. B. Parteiverbote) reagierten. Letztendlich werden uns die Daten helfen, besser zu verstehen, welche Maßnahmen erfolgreich waren und welche der Rettung der Demokratie abträglich waren.
Derzeit sammeln wir noch Daten auf der Ebene der Regierungsereignisse. Mit Hilfe von mehr als zehn Forschungsassistenten, Archiven und Bibliotheken in ganz Europa haben wir die Datenerhebung auf Parteiebene abgeschlossen, die wir derzeit validieren. Erste Erkenntnisse aus den Daten haben wir auf der International Conference on the Political Economy of Democracy and Dictatorship an der Universität Münster und auf der Jahrestagung der European Political Science Association in Prag vorgestellt. Eine erste Version des Datensatzes soll im Jahr 2023 veröffentlicht werden.